Die SPD ist in der Krise, und sie ist nicht alleine. Fast alle Schwesterparteien in Europa verzeichnen zum Teil massive Wählerverluste, die niederländische PvdA und die französische Partie Socialiste erzielten zuletzt nur noch einstellige Ergebnisse. Offenbar stehen Wählererwartungen und sozialdemokratisches Politikangebot immer weniger im Einklang. Herauszufinden, wo genau die Differenzen liegen, ist Gegenstand der Studie „Wo genau ist Mitte-Links“, die policy matters im Oktober 2018 im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung durchgeführt hat. Mittels repräsentativer Befragungen in neun europäischen Ländern wurden sowohl auf der Werte- als auch auf der Policy-Ebene die Erwartungen der Wähler mit den wahrgenommenen Positionierungen der sozialdemokratischen Parteien verglichen.
Aus deutscher Sicht fallen die Befunde ernüchternd aus. Sowohl auf der Werteebene als auch auf der Policy-Ebene klaffen die Erwartungen der Wähler und das Angebot der SPD zum Teil weit auseinander. Die Differenzen liegen auf der Werte-Ebene insbesondere bei Leistungsgerechtigkeit und Regelkonformität und auf der Policy-Ebene in den Bereichen Migration, Kriminalität und Wohnungspolitik. Besonders ausgeprägt ist die Kluft zwischen Nachfrage und Angebot bei den Arbeitern und einfachen Angestellten, also den „kleinen Leuten“, einstmals Kernklientel der Sozialdemokratie. Bei der heutigen SPD sehen Angehörige der Oberschicht ihre Interessen weit besser aufgehoben als Angehörige der unteren sozialen Schichten – ein Befund, der kaum mit dem Anspruch der SPD vereinbar sein dürfte.
Wie man es besser machen kann, zeigt ein Blick auf die Schwesterparteien in Dänemark, Großbritannien und Schweden. Die dänische Socialdemokraterne, die britische Labour-Partei und die schwedische SAP vermögen es derzeit weit besser, den Erwartungen der dortigen Wählerschaft zu entsprechen, was sich zuletzt in deutlich besseren Wahlergebnissen niederschlug.